By Deloitte
Editorial
Nach wie vor steht das Thema M&A ganz oben auf der CFO-Agenda. Laut der aktuellen CFO Survey hat für ein gutes Drittel der CFOs Wachstum durch Fusionen und Übernahmen sehr hohe Priorität. Dennoch haben wirtschaftliche und politische Krisen, Zweifel an der chinesischen Konjunktur nach dem Absturz der chinesischen Aktienmärkte sowie die starke Korrektur des DAX die Planungen der deutschen CFOs beeinflusst und insgesamt zu einem steigenden Grad an Unsicherheit und sinkender Risikobereitschaft geführt. Neben diesem Thema behandeln wir in der aktuellen Ausgabe auch die Herausforderungen von Carve-outs, den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtrechtsnovelle 2014) und Pro-Forma-Finanzinformationen bei Kapitalmarkttransaktionen. Die Ergebnisse der „International Dismissal Survey“ zeigen, welche Faktoren bei Entlassungen eine Rolle spielen.
Herausforderung Carve-out
Carve-outs sind in mehrfacher Hinsicht von großer Bedeutung, für den Deal Flow (bei Finanzinvestoren) bzw. für die gezielte Weiterentwicklung einer Unter- nehmensgruppe (bei strategischen Käufern). Carve-outs stellen hierbei hohe Anforderungen an die organisatorische und finanzielle Vorbereitung. Die meisten Großunternehmen sind in einer zwei oder mehrdimensionalen Matrixorganisation nach Divisionen, Regionen und/oder Funktionen aufgestellt und erhalten in der Regel zudem durch zentrale Serviceeinheiten (Shared Service Center) Konzerndienstleistungen.
Zur Aufbereitung einer isolierten Betrachtung von Finanzinformationen nur bezogen auf die Carve-out-Ein- heiten werden vielfach Berater hinzugezogen, da es im Unternehmen isolierte Controlling-Informationen nicht oder nur unvollständig gibt. Hierbei fehlen insbesondere isolierte Übersichten zu GuV, Bilanz und Cashflow, welche die Carve-out-Einheit vollständig abbilden, sowie ein darauf aufsetzender vollständiger und zur Historie konsistenter Geschäftsplan für den Carve-Out-Perimeter. Die Finanzdaten für den Verkaufsprozess werden aus diesem Grunde in mühsamer Kleinarbeit vom Verkäufer und seinen Beratern zusammengetragen und als isoliertes Bild in einer bereits vorhandenen Struktur dargestellt. Kaufinteressenten sollten daher bei der Analyse eines Carve-out einige Besonderheiten beachten.
Von zentraler Bedeutung ist dabei die präzise und vollständige Abgrenzung des Transaktionsobjektes. Die durch den Verkäufer erzeugten Carve-out-Finanzdaten zeigen meist ein in sich schlüssiges und operativ funktionierendes Transaktionsobjekt in der vorhandenen Struktur des Verkäufers. Deshalb sollte der Käufer genau prüfen, welche Ergebnisse, Cashflows und Bilanzpositionen tatsächlich auf seine eigene Struktur übertragen werden sollen bzw. übertragbar sind und welche nur „allokiert“ bzw. „geschlüsselt” dargestellt wurden, aber nicht tatsächlich mit dem Transaktionsobjekt übergehen. Hier stellen sich also die folgenden Fragen: Wie sind die Konditionen für angebotene Transitional Service Agreements des Verkäufers? Passen diese zu den entsprechenden Allokationen und Schlüsselungen in den historischen Finanzzahlen? Welchen Finanzierungsbedarf verursacht es, aus der transferierten (Teil-)Bilanz wieder eine Bilanz im eingeschwungenen Zustand zu erzeugen (häufig werden Teile der Aktiva und wesentliche Teile der Passiva nicht transferiert)? Vereinfacht gesprochen könnte ein „Loch“ in der Bilanz entstehen, welches der Käufer mit eigenen Mitteln auffüllen müsste. Welche Mitarbeiter und welches damit verbundene Know-how werden tatsächlich auf den Erwerber transferiert? Zu beachten ist dabei auch, dass die Mitarbeiter (und zwar jeder einzeln), für den Fall, dass es sich um einen Betriebsübergang nach § 613a BGB handelt (Regelfall), ein Widerspruchsrecht haben.
Oft wird bei Carve-outs auch die intensive Betrachtung von Steuerbilanzwerten vernachlässigt. Eine solche intensive Betrachtung ist jedoch notwendig, um die zukünftig zu erwartende Steuerbelastung in der Transaktionsstrukur exakt berechnen zu können. Ein weiterer kritischer Punkt zur Durchführung der Transaktion ist die Vorbereitung des Carve-out auf die operative Standalone-Fähigkeit (Day 1 Readiness) durch den Verkäufer. Hier ist sicherzustellen, dass sämtliches Know-how übertragen wird und dass beim „Abklemmen“ der Infrastruktur von der Muttergesellschaft (z.B. IT) die Carve-out-Einheit funktionsfähig bleibt.
Vor dem Hintergrund der Komplexität eines jeden Carve-out und der meist sehr engen Zeitschiene in derartigen Verkaufsprozessen können in der Regel nicht sämtliche relevante Fragestellungen vollumfänglich beantwortet werden. Je besser jedoch das Detailverständnis eines Kaufinteressenten über das zu erwerbende Transaktionsobjekt ist, desto besser ist er gegen vorhandene Risiken geschützt. (Andreas Faulmann)
Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2014)
Bereits in der letzten Wahlperiode wurde der Entwurf einer Aktienrechtsnovelle 2012 im Bundestag verabschiedet. Aufgrund des Widerstandes gegen einzelne in diesem Entwurf enthaltene Regelungen – etwa zur Einführung von öffentlichen Aufsichtsratssitzungen in Gesellschaften mit hoheitlicher Beteiligung, zur weitgehenden Verdrängung der Inhaberaktie sowie zum Vorschlag zum „Decide on pay“ – rief der Bundesrat nach Verabschiedung durch den Bundestag den Vermittlungsausschuss an und das Gesetz fiel aufgrund der unmittelbar darauffolgenden Bundestagswahl der Diskontinuität anheim.
Der nun von der neuen Bundesregierung eingebrachte Gesetzesentwurf einer Aktienrechtsnovelle 2014 verzichtet auf Regelungen zu den genannten politischen Minenfeldern und sieht vielmehr nur noch einige punktuelle Weiterentwicklungen des Aktienrechts vor. Zwischenzeitlich hat auch der Bundesrat eine Stellungnahme zu dem Gesetzesentwurf abgegeben, die zwar im Wesentlichen positiv ausfällt, jedoch auch kritische Anmerkungen zu einzelnen Regelungsgegenständen enthält und Anpassungsbedarf erkennen lässt. In einer Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz im Mai 2015 ist der Gesetzesentwurf auch bei Experten auf positive Resonanz gestoßen.
I. Kernpunkte des Gesetzesentwurfes und Kritik
1. Einschränkung des Wahlrechts der Aktienart bei nicht-börsennotierten Gesellschaften
Durch im Aktiengesetz verankerte Neuregelungen sollen die Beteiligungsverhältnisse bei nicht-börsennotierten Aktiengesellschaften transparenter gemacht werden, insbesondere um Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu bekämpfen. Nach der bisherigen Regelung können börsennotierte wie nicht-börsennotierte Aktiengesellschaften zwischen Inhaber- und Namensaktien wählen. Während bei einer börsennotierten Aktiengesellschaft bereits eine Verbriefung der Aktien in zumindest einer Globalurkunde nach Börsenregeln erforderlich und eine Einzelverbriefung regelmäßig ausgeschlossen ist, kann bei einer nicht-börsennotierten Aktiengesellschaft von einer Verbriefung der Aktien abgesehen werden oder die Aktien in Sammel-, Mehrfach- oder Einzelurkunden verbrieft werden, die dann von der Gesellschaft im Falle von Sammelurkunden oder von den Aktionären auch physisch verwahrt werden können. Zudem ist die Führung eines Aktienregisters derzeit nur bei Ausgabe von verbrieften Namensaktien vorgesehen. Bei nicht-börsennotierten Aktiengesellschaften, die Inhaberaktien oder unverbriefte Namensaktien ausgeben, ist die Aktionärsstruktur mithin nicht transparent, zumindest soweit sich die Beteiligungen unter den gesetzlichen Meldeschwellen (niedrigste Meldeschwelle: 25%) bewegen.
Die vorgeschlagene Neuregelung sieht Namensaktien als Standard für börsennotierte und nicht-börsennotierte Aktiengesellschaften vor. Klargestellt wird auch, dass bei Namensaktien eine Verbriefung keine Voraussetzung für die Pflicht zur Führung eines Aktienregisters darstellt. Inhaberaktien dürfen nur noch ausgegeben werden, wenn die Aktiengesellschaft börsennotiert ist (da die Gesellschaft dann der strengen kapitalmarktrechtlichen Beteiligungspublizität unterfällt; niedrigste Meldeschwelle: 3%) oder der Anspruch des Aktionärs auf Einzelverbriefung ausgeschlossen ist (heutiger Regelfall) und die Sammelurkunde bei einer Wertpapiersammelbank (in Deutschland die Clearstream Banking AG) oder einem vergleichbaren ausländischen Verwahrer hinterlegt wird.
Im Gegensatz zur GmbH, bei der der Gesellschafterbestand anhand der für jedermann einsehbaren Gesellschafterliste erkennbar ist, wird bei der Aktiengesellschaft auch durch die Neuregelung keine vollständige Transparenz erreicht. Zwar ist bei nicht-börsennotierten Aktiengesellschaften, die Inhaberaktien ausgeben, die Einzelverbriefung nicht mehr möglich, sodass Ermittlungsbehörden etwa im Rahmen der Geldwäschebekämpfung über die Wertpapiersammelbank die Aktieninhaber ermitteln können. Die angestrebte vollständige Transparenz des Gesellschafterbestandes wird hierdurch allerdings nicht erreicht.
Von der geschilderten Neuregelung sind bereits bestehende Gesellschaften, die Inhaberaktien ausgegeben haben, wegen einer weitgehenden Bestandschutzregelung nicht betroffen. Auch für börsennotierte Gesellschaften sind keine Änderungen vorgesehen.
2. Einführung eines Nachweisstichtages für Namensaktien
Für Namens- und Inhaberaktien börsennotierter Aktiengesellschaften soll ein einheitlicher Nachweisstichtag (sog. „Record Date“) eingeführt werden. Bisher war ein solcher Stichtag zur Bestimmung des in der Hauptversammlung teilnahme- und stimmberechtigten Aktienbestandes bei Namensaktien nicht vorgesehen. In Übereinstimmung mit der bestehenden Rechtslage für Inhaberaktien börsennotierter Aktiengesellschaften wird dieser Stichtag nunmehr auf den Beginn des 21. Tages vor der Hauptversammlung festgelegt.
Bislang wurde sich in der Praxis für Namensaktien mit sog. Umschreibungs-Stopps beholfen, wodurch Neueintragungen im Aktienregister für einen beschränkten Zeitraum vor der Hauptversammlung ausgesetzt wurden, um eine verlässliche Ermittlung der Teilnahme- und Stimmberechtigung zu gewährleisten. Durch die Neuregelung wird zwar auch für Namensaktien eine nachvollziehbare und rechtssichere Grundlage geschaffen. Richtigerweise kritisiert der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Gesetzesentwurf jedoch die einheitliche Regelung für Inhaber- und Namensaktien, da diese Regelung den Besonderheiten der Namensaktien nicht gerecht wird. Während Inhaberaktionäre von ihrer Depotbank über die Hauptversammlung informiert werden, erfolgt die Information der Namensaktionäre durch die Aktiengesellschaft selbst. Folglich besteht hinsichtlich der Namensaktien keine Notwendigkeit, die Feststellung der Teilnahme- und Stimmberechtigung durch die Einführung eines weit vor der eigentlichen Versammlung liegenden Bezugstages von der Eintragung ins Aktienregister abzukoppeln. Durch die Regelung wird zwar Rechtssicherheit geschaffen, jedoch wird das für die Registereintragung zur Verfügung stehende Zeitfenster stark geschrumpft, was vor allem zulasten ausländischer Aktionäre und deren Rechtswahrnehmung in der Hauptversammlung ginge, die durch die Neuregelung eigentlich begünstigt werden sollten.
Zwar ist absehbar, dass der Gesetzgeber eine gesetzliche Regelung des Record Date auch für Namensaktien beschließen wird. Die genaue Bestimmung des Nachweisstichtages bleibt hingegen abzuwarten. Das Deutsche Aktieninstitut schlägt einen Bezug des Record Date auf den 10./12. Tag vor der Hauptversammlung vor, um den Besonderheiten der Namensaktien gerecht zu werden. Dies erscheint durchaus sachgerecht.
3. Schaffung von Kernkapital durch Vorzugsaktien
Um die Finanzierung von Aktiengesellschaften zu flexibilisieren, sieht der Entwurf der Aktienrechtsnovelle 2014 Regelungen vor, wonach auch durch die Ausgabe stimmrechtsloser Vorzugsaktien regulatorisches Kernkapital gebildet werden kann. Nach bisheriger Gesetzeslage wird der Vorzug als zwingend nachzahlbare Vorabdividende verstanden. Dies ist insbesondere für Kreditinstitute nachteilig, da die so ausgestalteten Vorzugsaktien nach geltendem EU-Recht (Capital Requirement Regulation) nicht als regulatorisches Kernkapital anerkannt werden.
Um Aktiengesellschaften im Allgemeinen die Eigenkapitalbildung und Kreditinstituten im Besonderen die Kernkapitalbildung zu erleichtern, sollen Vorzugsaktien nunmehr durch entsprechende Satzungsregelung auch ohne Nachzahlungsanspruch ausgegeben werden können. Des Weiteren wird klargestellt, dass der (nachzuzahlende oder nicht nachzuzahlende) Vorzug künftig insbesondere in einem auf die Aktien vorweg entfallenden Gewinnanteil (sog. Vorabdividende) oder einem erhöhten Gewinnanteil (sog. Mehrdividende) bestehen kann. Zu beachten ist auch, dass für den Fall der fehlenden oder unvollständigen Zahlung der Vorzugsdividende das Stimmrecht temporär – also bis der Vorzug wieder gezahlt wird – auflebt.
Diese Flexibilisierung des Instruments der Vorzugsaktie ist grundsätzlich positiv zu bewerten. Allerdings ist nicht gesichert und in der juristischen Literatur durchaus umstritten, ob durch die Neuregelung eine Berücksichtigung als regulatorisches Kernkapital erreicht wird. Da die geäußerten Bedenken jedoch durch rechtstechnische Anpassungen behoben werden können, ist von der grundsätzlichen Umsetzung der entsprechenden Regelungen auszugehen.
4. Zulassung einer umgekehrten Wandelanleihe
Ebenfalls Auswirkungen auf die Finanzierung der Aktiengesellschaft hat die vorgeschlagene Regelung einer „umgekehrten Wandelanleihe“. Während bei einer Wandelanleihe ein Wandlungsrecht des Gläubigers besteht, mittels dessen er die Anleihe in eine Beteiligung umwandeln kann, erfolgt bei der umgekehrten Wandelanleihe die Wandlung durch Ausübung des Wandlungsrechts der Aktiengesellschaft als Anleiheschuldnerin. Darüber hinaus soll eine solche umgekehrte Wandelanleihe auch als bedingtes Kapital zugelassen werden können. Während Wandelanleihen als bedingtes Kapital grundsätzlich lediglich im Umfang von bis zu 50 Prozent des Grundkapitals zulässig sind, soll durch die Neuregelung eine Ausnahme für umgekehrte Wandelanleihen zur Abwendung einer Überschuldungssituation geregelt werden. Hierbei handelt es sich um eine Art „Vorrats-Debt-Equity-Swap“ für den Krisenfall.
Die gesetzliche Verankerung der umgekehrten Wandelanleihe ist zu begrüßen, da hierdurch die Flexibilität der Gesellschaft bei der Finanzierung erhöht und Rechtssicherheit geschaffen werden. Dieselbe Wirkung ließ sich bislang nur über eine Pflichtwandelanleihe mit Barausgleichsoption der Gesellschaft erzielen. Durch die Ausnahmeregelung zum „Vorrats-Debt-Equity-Swap“ wird der Gesellschaft zudem ein adäquates Mittel zur Krisenbekämpfung an die Hand gegeben.
5. Anpassungen beim Klagesystem
Der Gesetzesentwurf enthält, anders als in der Aktienrechtsnovelle 2012 ursprünglich vorgesehen, keine umfassende Reform des Beschlussmängelrechts, jedoch wurde eine Einzelkorrektur betreffend einer relativen Befristung von nachgeschobenen Nichtigkeitsklagen geregelt. Ziel der Neuregelung ist es, missbräuchlich nachgeschobene Nichtigkeitsklagen zu unterbinden, die entweder mit dem Ziel erhoben wurden, den Erfolg eines von der Gesellschaft gestellten Freigabeantrages zu verhindern, oder um sich an dem sich abzeichnenden finanziellen Erfolg einer Beschlussmängelklage zu beteiligen. Um dies zu erreichen, soll die Frist für die Erhebung einer nachgeschobenen Nichtigkeitsklage nur innerhalb eines Monats nach Bekanntmachung der Erstklage erhoben werden können.
II. Stellungnahme
Die Neuregelungen der Aktienrechtsnovelle 2014 bringen durchweg sinnvolle Klarstellungen und Änderungen. Es handelt sich allerdings nicht um Regelungen, die das Aktienrecht umfassend modernisieren, sondern vielmehr um punktuelle Nachjustierungen, hinsichtlich derer auch kein nennenswerter politischer Widerstand zu erwarten ist und die unter Experten weit überwiegend Zuspruch finden. Zu einer Aufnahme von Regelungen zum Delisting im weiteren Gesetzgebungsverfahren, deren Prüfung der Bundesrat angeregt hat, die allerdings unter Experten kontrovers diskutiert werden, wird es hingegen voraussichtlich nicht kommen, da sich zum Umgang mit dem Delisting noch kein eindeutiges Meinungsbild in der Wissenschaft herausgebildet hat. Mit einer Verabschiedung der Aktienrechtsnovelle noch im Jahr 2015 ist mithin zu rechnen. Die Regelungsgegenstände sollten daher bereits jetzt in die Planung aktienrechtlicher Maßnahmen einbezogen werden. (Frank Silberberger und Dirk Janzen)
Entlassungskosten – Himmelweite Unterschiede innerhalb Europas
Internationale Deloitte-Studie
In seiner mittlerweile dritten Ausgabe des „International Dismissal Survey“ hat Deloitte Legal wesentliche Faktoren, die im Zusammenhang mit der Entlassung von Arbeitnehmern eine Rolle spielen, in insgesamt 31 Ländern analysiert und einem Vergleich unterzogen. Folgende Länder sind in die Analyse einbezogen worden: Österreich, Aserbaidschan, Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxembourg, Malta, Niederlande, Norwegen, Polen, Portugal, Rumänien, Russland, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Schweiz, Tschechien, Ungarn und das Vereinigte Königreich.
Die von Deloitte Legal durchgeführte Untersuchung beruht auf drei Beispielsfällen, denen eine unterschiedliche Betriebszugehörigkeit des Mitarbeiters und unterschiedliche Vergütungsbeträge zugrunde liegen. Außerdem wurde zwischen grundlosen und begründeten Kündigungen differenziert (die nachfolgenden Grafiken beziehen sich auf einen der drei Beispielsfälle).
Für jedes Szenario wurden die Durchschnittskosten ermittelt, die ein Arbeitgeber im jeweiligen Land aufwenden muss, um den betroffenen Arbeitnehmer zu entlassen und eine abschließende Lösung der Angelegenheit zu erzielen.
Für jedes Land werden in statistischer Form die Entlassungskosten sowie die wesentlichen kündigungsrelevanten gesetzlichen Vorschriften dargestellt. Dabei liegt der Fokus auf der arbeitgeberseitigen Betrachtung.
Wesentliche Ergebnisse der Analyse
Die Studie belegt, dass – trotz aller Bestrebungen, die rechtlichen Strukturen innerhalb Europas zu harmonisieren – eine Vielzahl von Unterschieden im Hinblick auf das Kündigungsschutzrecht und die mit der Entlassung von Arbeitnehmern verbundenen Kosten zu berücksichtigen ist.
In allen Ländern, die die Studie abdeckt, können sich Arbeitnehmer auf kündigungsschutzrechtliche Vorschriften berufen. Anders als z.B. in den USA, wo es verhältnismäßig einfach ist, Arbeitsverhältnisse zu beenden, gehen die meisten europäischen Gesetzgeber von der Prämisse aus, dass Arbeitnehmer ebenso wie ihre Arbeitsplätze schutzbedürftig sind.
Als Schutzmechanismus dient – wie auch in Deutschland –, dass die arbeitgeberseitige Kündigung gerechtfertigt sein muss. Anders ausgedrückt müssen Arbeitgeber in der Lage sein, zu erklären und zu begründen, warum dem betreffenden Arbeitnehmer gekündigt werden soll. In einigen Ländern muss der Grund für die Kündigung bereits im Rahmen des Ausspruchs der Kündigung angegeben werden. In anderen Ländern hingegen ist der Arbeitgeber erst auf konkrete Aufforderung durch den Arbeitnehmer verpflichtet, den Grund mitzuteilen. In manchen Ländern – so auch in Deutschland – lässt der Gesetzgeber nur bestimmte Kategorien von Gründen als ausreichend zu.
Ist der Arbeitgeber nicht in der Lage, die Kündigung ausreichend zu begründen, so sind die Rechtsfolgen unterschiedlich. In manchen Ländern kann der Arbeitnehmer eine Abfindung beanspruchen, in anderen Ländern hingegen wird der Arbeitgeber verpflichtet, das Arbeitsverhältnis mit dem von der Kündigung betroffenen Arbeitnehmer fortzusetzen.
Vergleich der Entlassungskosten
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Arbeitgeber bei der Entlassung von Arbeitnehmern in den folgenden Ländern mit den höchsten Kosten zu rechnen haben: Italien, Schweden, Belgien, Irland, Luxembourg, Frankreich.
Darüber hinaus sehen sich Arbeitgeber in westeuropäischen Ländern im Grundsatz höheren Entlassungskosten ausgesetzt als Arbeitgeber in zentraleuropäischen Ländern. Wenig überraschend, entstehen die höchsten Entlassungskosten im Zusammenhang mit Kündigungen, die nicht oder nicht ausreichend begründet sind. Im Durchschnitt kosten Arbeitgeber derartige Kündigungen doppelt so viel wie Kündigungen, die objektiv begründet sind. Allerdings können diese Werte auch deutlich auseinanderfallen. So kostet einen Arbeitgeber in Irland der Ausspruch einer unbegründeten Kündigung bis zu zehn Mal so viel wie der Ausspruch einer ausreichend begründeten Kündigung. Einige Länder hingegen kennen die Differenzierung zwischen begründeten und nicht begründeten Kündigungen nicht, sodass den Arbeitgeber in diesen Ländern (z.B. Tschechien, Griechenland, Portugal) auch keine höheren Kosten treffen, sofern eine Kündigung unbegründet ausgesprochen wird.
In mehr als 60 Prozent der Länder, auf die sich die Studie erstreckt, wird zur Berechnung von Entlassungs-Abfindungen die vollständige Vergütung der Arbeitnehmer, bestehend aus der Grundvergütung, variablen Vergütungsbestandteilen und Sachleistungen, herangezogen. In anderen Ländern hingegen – wenngleich in nur wenigen – beruht die Berechnung der Abfindung lediglich auf der Fixvergütung des Arbeitnehmers.
Unabhängig davon belegt die Studie, dass es keine bzw. nur geringfügige Unterschiede im Hinblick auf die Höhe der Abfindungen gibt, wenn man betrieblich veranlasste Kündigungen mit solchen vergleicht, die auf individuellen, dem betreffenden Mitarbeiter zuzuordnenden Beweggründen beruhen.
Bemerkenswert ist darüber hinaus, dass in mehr als 70 Prozent der untersuchten Länder neben der Entlassungsabfindung eine Kündigungsfrist zu berücksichtigen ist, während deren Lauf der betroffene Mitarbeiter weiterhin berechtigt ist, seine Vergütung zu beziehen.
Geschäftsführer
In etwa 60 Prozent aller Länder, auf die sich die Untersuchung erstreckt, unterliegen Geschäftsführer grundsätzlich nicht den Regelungen des Kündigungsschutzes, was zur Folge hat, dass es für die Beendigung des mit dem Geschäftsführer bestehenden Vertragsverhältnisses keines Grundes bedarf und dass die Bedingungen, zu denen das Vertragsverhältnis mit dem Geschäftsführer enden soll, weitestgehend der Vertragsfreiheit und damit den Verhandlungen zwischen den Parteien über eine gütliche Lösung unterliegen. (Klaus Heeke)
Pro-Forma-Finanzinformationen bei Kapitalmarkttransaktionen
Pro-Forma-Finanzinformationen (im Folgenden auch „Pro-Formas“) dienen zur hypothetischen Darstellung der Auswirkungen einer Unternehmenstransaktion auf historische Finanzdaten eines Unternehmens. Bei Letzteren handelt es sich in der Regel um den letzten Konzern(zwischen)abschluss. Relevante Unternehmenstransaktionen sind insbesondere Zu- und Abgänge eines Unternehmensteils, Tochterunternehmens oder Konzernteils. Pro-Forma-Finanzinformationen ergänzen die Konzernabschlüsse eines Unternehmens, sofern die buchhalterischen Auswirkungen der jeweiligen Transaktion noch nicht vollständig in Konzernabschlüsse eingeflossen sind. Sie bilden eine infolge der Transaktion veränderte Unternehmensstruktur so ab, als hätte diese neue Struktur bereits während des gesamten Berichtszeitraums bestanden (Pro-Forma-GuV) bzw. als wäre die Transaktion am Bilanzstichtag durchgeführt worden (Pro-Forma-Bilanz).
Besondere Bedeutung haben Pro-Formas, sofern Unternehmen prospektpflichtige Kapitalmaßnahmen durc führen und gleichzeitig in der jüngeren Vergangenheit wesentliche Akquisitionen, Veräußerungen o.ä. Transaktionen durchgeführt haben bzw. diese konkret bevorstehen. Rechtsgrundlage für Aufstellungspflicht und Darstellung der Pro-Formas sind hierbei die Regelungen in der EU-Prospektverordnung, welche auf europäischer Ebene durch die Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA ausgelegt werden. In Deutschland werden diese Vorgaben konkretisiert durch einen Rechnungslegungshinweis und einen Prüfungshinweis des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW).
Pflicht zur Aufstellung
Pro-Formas sind in einen Wertpapierprospekt aufzunehmen, wenn kumulativ folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- Es handelt sich um eine Aktienemission oder es erfolgt eine freiwillige Erstellung für die Vermarktung von Anleihen.
- Die Unternehmenstransaktion ist nicht bereits seit Beginn des letzten Geschäftsjahres im Abschluss des Emittenten abgebildet.
- Aus der Unternehmenstransaktion resultiert eine sog. bedeutende Bruttoveränderung des Geschäftsbetriebs des Emittenten. Eine solche ist insbesondere dann gegeben, falls sich infolge der Transaktion die Bilanzsumme, die Umsatzerlöse oder das Periodenergebnis des Emittenten um mindestens 25% im Vergleich zur Situation vor der Transaktion verändern.
Gibt es mehrere Transaktionen und nur eine davon führt zu einer solchen bedeutenden Bruttoveränderung des Geschäftsbetriebs, dann ist nur diese eine Transaktion Gegenstand der Pro-Formas. Sofern keine der Transaktionen individuell zu einer Überschreitung der 25-Prozent-Grenze führt, besteht grundsätzlich keine Aufstellungspflicht für die Pro-Formas, es sei denn, die jeweiligen Transaktionen sind infolge ihres sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs als Einheit anzusehen.
Bestandteile
Die Pro-Forma-Finanzinformationen bestehen aus:
- Einer Pro-Forma-GuV für das letzte Geschäftsjahr
- Ggf. einer Pro-Forma-GuV für die Zwischenberichtsperiode, sofern nach dem Abschluss für das letzte Geschäftsjahr bereits ein Zwischenabschluss erstellt wurde
- Ggf. einer Pro-Forma-Bilanz auf den letzten Bilanzstichtag
- Dem Pro-Forma-Ergebnis je Aktie, wenn die zugrunde liegenden Rechnungslegungsvorschriften des Emittenten die Angabe des Ergebnisses je Aktie im Abschluss erfordern
- Den ergänzenden Pro-Forma-Erläuterungen
Zudem kann freiwillig eine Pro-Forma-Kapitalflussrechnung erstellt werden. Von diesem Wahlrecht wird in der Praxis aufgrund der damit verbundenen Komplexität in der Aufstellung sowie der eingeschränkten Aussagekraft in der Regel kein Gebrauch gemacht. Eine Darstellung von Vergleichszahlen für das Vorjahr ist bei Pro-Forma-Finanzinformationen untersagt.
Die Pro-Forma-Gewinn- und -Verlustrechnung(en) und die Pro-Forma-Bilanz sind immer nur dann aufzustellen, wenn die jeweilige Transaktion nicht bereits im historischen Abschluss vollständig abgebildet ist. Dies soll anhand der in Abbildung 1 dargestellten Transaktionszeitpunkte verdeutlicht werden.
Für die jeweiligen Transaktionen ergeben sich die in Abbildung 2 dargestellten Bestandteile der Pro-Forma-Finanzinformationen.
Die zwingend zu erstellenden Pro-Forma-Erläuterungen setzen sich aus folgenden Elementen zusammen:
- Dem einleitenden Abschnitt, in dem u.a. die Transaktion, die historischen Finanzdaten sowie deren Anpassung auf einheitliche Rechnungslegungsgrundsätze darzustellen sind
- Den Grundlagen der Erstellung, welche im Wesentlichen die Ableitung der Pro-Formas aus den historischen Ausgangszahlen beschreiben sowie
- Den Erläuterungen der Pro-Forma-Anpassungen
Aufbau der Pro-Forma-Finanzinformationen und Annahmen
Die Pro-Forma-Bilanz und die Pro-Forma-GuV sind in Spaltenform darzustellen. Ausgehend von den historischen Finanzdaten des Erwerbers/Veräußerers werden die an einheitliche Rechnungslegungsgrundsätze angepassten Finanzdaten des Transaktionsobjektes bei Akquisitionen hinzuaddiert bzw. bei Veräußerung abgezogen. Die hieraus resultierende Summen- bzw. Differenzenspalte ergibt unter Berücksichtigung der Pro-Forma-Anpassungen die jeweiligen Pro-Forma-Werte.
Die Pro-Forma-GuV ist immer unter der Annahme aufzustellen, dass die Transaktion zu Beginn des Berichtszeitraums stattgefunden hat. Bei einem mit dem Kalenderjahr identischen Wirtschaftsjahr ist somit jeweils der 1. Januar als hypothetischer Zeitpunkt für die die Pro-Forma-Berichtspflicht auslösende Akquisition bzw. Veräußerung zugrunde zu legen. Hingegen ist die Pro-Forma-Bilanz unter der Annahme aufzustellen, als wäre die Transaktion auf den Stichtag der letzten im Prospekt wiedergegebenen Bilanz des Emittenten durchgeführt worden. Aufgrund dieser divergierenden Annahmen über die Transaktionszeitpunkte sind Pro-Forma-GuV und Pro-Forma-Bilanz nicht zueinander überleitbar.
Pro-Forma-Anpassungen
Alle Pro-Forma-Anpassungen müssen der Transaktion eindeutig zurechenbar und faktisch unterlegbar sein. Rein hypothetische oder auf künftigen Ereignissen beruhende Anpassungen sind unzulässig. Zudem fordert das IDW, dass alle Anpassungen danach zu klassifizieren sind, ob sie einen einmaligen oder einen dauerhaften Einfluss auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage haben.
Typische Anpassungsbuchungen in der Pro-Forma-Bilanz sind die Vorverlegung der Erstkonsolidierung bei einem Erwerb bzw. der Endkonsolidierung bei einem Abgang sowie aus der Transaktion resultierende Veränderungen der Finanzierungsstruktur.
In der Pro-Forma-GuV sind bei einem Erwerb zusätzliche Abschreibungen auf im Rahmen der Erstkonsolidierung aufgedeckte stille Reserven bzw. auf neu angesetzte Vermögenswerte zu erfassen. Sofern die Akquisition (teilweise) fremdfinanziert ist, sind die Zinsaufwendungen anzupassen. Bei einem Abgang sind die erfolgswirksamen Auswirkungen der Endkonsolidierung, sofern diese noch nicht in den Ausgangszahlen erfasst sind, darzustellen. Auch ist die Verwendung des Veräußerungserlöses darzustellen, wie z.B. durch die Verminderung des Zinsaufwandes als Folge der Tilgung von Krediten.
Die Pro-Forma-Anpassungen haben in der Regel steuerliche Auswirkungen, die in der Pro-Forma-Bilanz und in der Pro-Forma-GuV zu entsprechenden Anpassungen führen. Zudem kann sich die Transaktion auf die Nutzbarkeit von Verlustvorträgen auswirken oder zu Veränderungen in einem steuerlichen Organkreis führen. Beide Sachverhalte sind durch Anpassungen in den Pro-Forma-Rechenwerken entsprechend abzubilden.
Nicht erlaubt sind Anpassungen aufgrund erwarteter Synergien oder die Berücksichtigung der Mehraufwendungen aufgrund veränderter Rahmenbedingungen, wie z.B. eine Veränderung der Organvergütung infolge der Transaktion.
Fazit
Pro-Forma-Finanzinformationen bilden wesentliche Akquisitionen oder Desinvestitionen so ab, als hätten diese zu Beginn eines Berichtszeitraums bzw. zu einem bestimmten Bilanzstichtag stattgefunden. Ziel ist es, dem Adressaten die Auswirkungen dieser Transaktionen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens zu verdeutlichen und die Prognosekraft der historischen Finanzinformationen durch Anpassung um fiktive, aber erwartete Aufwendungen/Erträge bzw. Vermögenswerte/Schulden zu erhöhen. Sofern Pro-Forma-Finanzinformationen in einen Wertpapierprospekt aufzunehmen sind, bestehen durch die EU-Prospektverordnung und die Verlautbarungen des IDW konkrete Vorgaben hinsichtlich deren Bestandteile, den zutreffenden Annahmen und potenziellen Anpassungen. Die in einen Wertpapierprospekt aufgenommenen Pro- Forma-Finanzinformationen sind prüfungspflichtig. (Daniel Döpfner)
CFO Survey: Wachstumsmotor Nordamerika
Die Stimmung und die Aussichten der großen deutschen Unternehmen sind momentan sehr deutlich von externen Einflüssen geprägt. Obwohl sich die Konjunktur in Deutschland solide entwickelt und sich der Aufschwung in der Eurozone fortsetzt, sind die Unternehmen vielfältigen Risikofaktoren ausgesetzt. Zweifel an der chinesischen Konjunktur und den chinesischen Wachstumsaussichten nach dem Absturz der chinesischen Aktienmärkte, die starke Korrektur des DAX und die Zuspitzung der Eurokrise im Sommer haben deutliche Spuren in den Erwartungen und Planungen der deutschen CFOs hinterlassen.
Diese Spuren zeigen sich im neuesten Deloitte CFO Survey, an dem 151 CFOs deutscher Großunternehmen teilgenommen haben, in drei Bereichen:
- Die Risiken im Unternehmensumfeld nehmen zu, vor allem internationale Risiken.
- Die Unternehmen sind skeptisch bezüglich ihres China-Geschäfts und orientieren sich um. Wachstum aus den internationalen Märkten wird vor allem aus Nordamerika erwartet.
- Die Risikobereitschaft der Unternehmen sinkt, die Erwartungen für den M&A-Markt und die eigenen M&A-Ambitionen der Corporates gehen auf hohem Niveau leicht zurück.
Unsicherheit steigt, Risiken sind international
Die wirtschaftlichen und politischen Krisen spiegeln sich in einem steigenden Grad an Unsicherheit, dem sich die großen deutschen Unternehmen ausgesetzt sehen. Aktuell bewerten 40 Prozent das Niveau der Unsicherheit im ökonomischen und politischen Umfeld als hoch oder sehr hoch. Damit erreicht dieser Indikator den höchsten Wert in den letzten 2,5 Jahren.
Die Treiber der gestiegenen Unsicherheit sind vor allem im internationalen Umfeld zu finden. Von den fünf Top-Risiken, die die CFOs momentan sehen, sind vier international. Es ist speziell die Gefahr der schwächeren Auslandsnachfrage, hervorgerufen durch geopolitische Risiken und die Schwäche der Emerging Markets, die die CFOs besorgt. Die durch die aggressive Zentralpolitik hervorgerufenen Wechselkursverschiebungen und -risiken werden ebenfalls als kritisch eingestuft. Demgegenüber sind binnenwirtschaftliche Risiken, die noch 2014 die Agenda dominiert haben, vor allem die Gefahr steigender Energiekosten, in den Hintergrund getreten (Abb. 1).
Umorientierung der deutschen Wirtschaft
Die Gefahr nachlassender Auslandsnachfrage kommt für die deutsche Wirtschaft vor allem aus einem Land, nämlich aus China. Die Exporte der deutschen Unternehmen nach China haben sich zwischen 2007 und 2014 auf 75 Milliarden Euro mehr als verdoppelt und stellen somit einen entscheidenden Faktor für den deutschen Aufschwung dar. Aktuell zeigen die CFOs allerdings Skepsis gegenüber China. Dabei sind vor allem die Großunternehmen mit einem Umsatz von mehr als 500 Millionen Euro von der veränderten Situation in China betroffen. In dieser Gruppe haben 39 Prozent die Umsatzerwartungen für ihr China-Geschäft reduziert und 31 Prozent erwarten dauerhaft niedrigeres Wachstum. In einer Industrieperspektive ist es vor allem das verarbeitende Gewerbe, das die Erwartungen für den Umsatz in China reduziert hat (58%).
Die Unternehmen setzen verstärkt auf Nordamerika und die USA als Wachstumsmotor. Die relativ meisten CFOs erwarten aus den USA ein signifikantes Umsatzwachstum auf Sicht von zwölf Monaten. Im Vergleich zu den Wachstumserwartungen vom Frühjahr 2014 sind die USA der einzige Markt, aus dem mehr CFOs signifikantes Umsatzwachstum erwarten. Vor allem für die Fertigungsindustrie und die Telekommunikations-Technologie-Branche sind die USA der hauptsächliche Wachstumstreiber für die nächsten zwölf Monate (Abb. 2).
Damit einhergehend sind die USA auch das wichtigste ausländische Investitionsziel für die CFOs auf Sicht von zwölf Monaten. Fast jedes fünfte Unternehmen, unter den Großunternehmen jedes vierte, plant einen signifikanten Anstieg der Investitionen in den USA, weniger Unternehmen planen dies in China. Vor allem die Fertigungsindustrie orientiert sich in Richtung Nordamerika. Nicht nur, dass es der hauptsächliche Wachstumsmarkt sein wird, für die CFOs aus der Fertigungsindustrie ist Nordamerika auch das primäre Investitionsziel, deutlich vor dem Heimatstandort Deutschland (Abb. 3).
Strategien werden defensiver, M&A-Ausblick sinkt auf hohem Niveau Die steigende Unsicherheit wirkt sich auf die strategische Aufstellung der Unternehmen aus. Die Geschäfts- und Konjunkturaussichten brechen deutlich ein. Die Konjunkturerwartungen halbieren sich fast auf einen Indexwert von 45 Prozent. Damit ist zwar noch über die Hälfte der CFOs optimistisch bezüglich der deutschen Konjunktur der nächsten zwölf Monate, aber die Lager der neutralen und pessimistisch eingestellten CFOs wachsen. Die Geschäftsaussichten stiegen im Frühjahr trotz der beginnenden Griechenlandkrise sehr deutlich, aktuell fallen sie wieder auf einen der niedrigsten Werte seit Anfang 2012 zurück. Die Großunternehmen sind dabei deutlich pessimistischer bezüglich ihrer Geschäftsaussichten als der gehobene Mittelstand. In einer Industrieperspektive ist besonders die Fertigungsindustrie sehr pessimistisch im Hinblick auf ihre Geschäftsaussichten (-42%) (Abb. 4).
Allerdings bleiben die Umsatzerwartungen, trotz des negativen Trends bei den Geschäftsaussichten, recht stabil und gehen nur leicht zurück. Gleichzeitig sinken allerdings die Margenerwartungen sehr deutlich. Ein Hinweis, dass die Unternehmen eher bereit sind, auf Margen als auf Umsätze zu verzichten.
Die Risikobereitschaft der CFOs geht generell zurück. Noch im Frühjahr stieg die Risikobereitschaft deutlich an, wenn auch im internationalen Vergleich auf einem sehr niedrigen Niveau. Damals fand fast jedes dritte Unternehmen, dass der Zeitpunkt günstig ist, höhere Risiken einzugehen. Aktuell geht die Risikobereitschaft wieder deutlich zurück, nur noch 20 Prozent halten die gegenwärtige Situation für höhere Risiken geeignet (Abb. 5).
M&A bleibt dennoch hoch oben auf der CFO-Agenda. Für ein gutes Drittel der CFOs hat Wachstum durch Fusionen und Übernahmen hohe Priorität, ein nur leichter Rückgang seit dem Frühjahr. Oberste Priorität haben für die CFOs nach wie vor Kostensenkungen. Die Einführung neuer Produkte und Dienstleistungen hat im Vergleich zum Frühjahr, im Zuge der defensiveren Aufstellung der Unternehmen, deutlich an Bedeutung verloren (-15 Prozentpunkte). Gleichzeitig hat sich die Zahl der Unternehmen, die den Abbau ihrer Verschuldung als hohe Priorität verfolgen, fast verdoppelt (Abb. 6).
Für die generellen M&A-Aktivitäten bleiben die CFOs optimistisch. Exakt die Hälfte erwartet einen weiteren Anstieg auf Sicht von zwölf Monaten. Der Großteil der anderen Hälfte erwartet keine Veränderung, eine verschwindend kleine Minderheit geht von dem Rückgang aus. Dies wird nicht zuletzt von den nach wie vor äußerst günstigen Finanzierungsumfeld getrieben. Die überwältigende Mehrheit der CFOs schätzt Verfügbarkeit und Kosten von Krediten momentan als sehr positiv ein und erwartet in dieser Hinsicht keine negativen Veränderungen in naher Zukunft.
Schlussfolgerungen
Der CFO Survey zeigt damit ein gemischtes Bild. Auf der einen Seite eine deutlich verschlechterte generelle Stimmung, die aber weiterhin im positiven Bereich ist. Dies spiegelt sich im CFO Confidence Index, der die Ergebnisse der regelmäßigen Fragen des CFO Survey hinsichtlich der Einschätzung des Unternehmensumfeldes sowie der unternehmerischen Wachstumsorientierung abbildet. Dessen Wert sinkt um acht Punkte auf 22. Damit ist er zwar immer noch im positiven Bereich, aber vor allem die unternehmerische Wachstumskomponente des Index ist deutlich zurückgegangen (Abb. 7).
Auf der anderen Seite steht Skepsis in Bezug auf den Exportwachstumsmotor China, die aber durch positive Erwartungen für Nordamerika kompensiert wird. Nordamerika und damit vor allem die USA werden für die deutschen Unternehmen zum neuen Wachstumsmotor. Dies gilt insbesondere für die verarbeitende Industrie. Auch wenn das internationale Umfeld insgesamt noch schwieriger wird, bietet es weiterhin Wachstumschancen für Unternehmen. (Dr. Alexander Börsch)