Toyota’s unconventional way to the top of the world

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(Original: “Toyotas eigenwilliger Weg an die Weltspitze”)

Von Marco Dalan und Martin Kölling

Andere Autobauer kauften Konkurrenten und scheiterten. Die Japaner hingegen haben darauf verzichtet und lösen nun trotzdem General Motors als größten Autohersteller der Welt ab – zumindest vorübergehend.

Am Anfang war der Flop. Als Toyota 1957 seine ersten zwei Fahrzeuge des Modells Toyopet Crown im Hafen von Los Angeles entlud, ätzte die Konkurrenz über die Limousine: “Zu klein, zu schwach motorisiert, zu schwerfällig”. In Deutschland waren die Reaktionen Anfang der 70er-Jahre auf den ersten importierten Toyota – ein Corolla 1200 Coupé – nicht minder kritisch. Als “Reisschüsseln” wurden die Fahrzeuge verunglimpft.

2008 spottet längst keiner mehr. Toyota ist an der Börse der wertvollste Autobauer der Welt. Der Gewinn der Japaner summierte sich seit 2000 auf 80 Milliarden Euro – mehr, als Daimler, BMW und VW zusammen in diesem Zeitraum verdient haben. Nun hat sich die Marke mit den drei miteinander verbundenen Ellipsen im Logo zum größten Autoproduzenten der Welt erklärt. 9,51 Millionen Fahrzeuge habe sie vergangenes Jahr produziert. US-Konkurrent General Motors (GM) legt seine Zahlen erst noch vor. Geschätzt wird aber, dass die Amerikaner es nur auf 9,25 Millionen Autos bringen.

Es ist eine weitere Schmach für General Motors kurz vor Beginn des wichtigen Autosalons in Detroit. “Der Aufstieg Toyotas zum weltgrößten Autobauer ist ein Symbol der schleichenden Machtverschiebung, die sich spätestens seit der Jahrtausendwende in der Automobilwelt vollzogen hat”, sagt Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive in Bergisch-Gladbach. Toyota muss nun beweisen, dass dies mehr als ein Etappensieg ist.

Der Aufstieg Toyotas ist auch ein Sieg der Systeme. Zahlreiche Konkurrenten wollten groß werden, indem sie Konkurrenten übernahmen. BMW kaufte Rover, Daimler schluckte Chrysler. Noch extremer waren die US-Autobauer. Ford gönnte sich Jaguar, Volvo, Land Rover und Aston Martin, aber am aggressivsten ging General Motors vor. GM übernahm Marken wie Opel, Saab (Schweden), Daewoo (Südkorea) oder Holden (Australien). Gebracht hat das alles wenig.

BMW stieß Rover wieder ab, Daimler trennte sich von Chrysler. Ford ist dabei, Jaguar und Land Rover an Inder zu veräußern. Und GM? “General Motors ist im Moment nur groß, aber ansonsten schwach”, sagt Nikolaus Soellner, Autoexperte bei dem Beratungsunternehmen AT Kearney. Denn auf dem Heimatmarkt wurden Entwicklungen wie steigende Energiepreise oder der Trend zu sparsameren Fahrzeugen schlicht verpasst. Gleichzeitig uferten die Kosten für die Produktion sowie die Gesundheits- und Altersversorgung der Mitarbeiter Jahr für Jahr weiter aus.

Im Gegensatz zum Kaufrausch von General Motors ging Toyota, das 1936 sein erstes Auto präsentierte, einen anderen Weg. Der Konzern erwarb lediglich 1966 die Kleinwagenmarke Daihatsu. Ansonsten konzentrierte man sich auf die Entwicklung der Marken Toyota und Lexus – und wurde so immer größer. 2007 war Toyota auch zweitgrößter Autobauer der USA und verdrängte Ford auf Platz drei. “Es spricht sehr viel dafür, dass in zehn Jahren Toyota der größte Hersteller in den USA sein wird”, glaubt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Dann hätten sie GM auch in deren Heimat überholt.

Die entscheidenden Gründe für Toyotas Erfolg sind langfristiges Denken, Ausdauer und Versessenheit für Details. Der Konzern passt seine Modellpolitik seit Jahrzehnten den Situationen auf den einzelnen Märkten an und behält dabei die Produktions- und Entwicklungskosten im Auge. “Der Erfolg von Toyota ist kopfgesteuert”, sagt Dudenhöffer. So lieferten die Japaner in den 70er-Jahren verbrauchsärmere Autos in die USA, als die Hersteller aus Detroit noch auf Straßenkreuzer setzten. Toyota war auch mit den Hybridautos zur Stelle, als die Amerikaner ihr Umweltbewusstsein entdeckten.

Der deutlichste Ausdruck japanischen Perfektionsdrangs ist das berühmte Toyota-Produktionssystem. Wesentliche Elemente dieses Systems sind eine schlanke Produktion, hohe Qualität, kontinuierliche Verbesserungen (“Kaizen”) und keine Verschwendung (“Muda”). Das Management schafft es so, die Kosten in der Produktion jedes Jahr um 1,5 bis 2,5 Milliarden Euro zu senken. Toyota kann trockene Handtücher auswringen, heißt es in Japan. Gemeint ist: Der Autobauer findet dann noch Sparpotenziale, wenn alles ausgereizt scheint.

Dabei hat Toyota aus seinem System kein Geheimnis gemacht, sondern zahllose konzernfremde Manager durch seine Werkshallen geführt. “Aber kein anderes Unternehmen konnte es wiederholen”, sagt Tatsuo Yoshida, UBS-Analyst in Tokio. Yoshida, sagt, dass der Toyota-Weg eine Religion sei: Man müsse die Kernprinzipien einfach glauben und leben.

Doch auch der Ruhm Toyotas ist nicht grenzenlos. Das schnelle Wachstum der Japaner fordert offenbar seinen Preis. Denn der Qualitäts-Weltmeister geriet zuletzt häufiger durch Rückrufe ins Gerede. Mehr als zwei Millionen Fahrzeuge weltweit mussten in den vergangenen zwei Jahren wegen mehr oder minder großer Schwierigkeiten in die Werkstätten zurück beordert werden. “Die Rückrufe könnten erste Anzeichen für eine Grippe bei Toyota sein”, vermutet Soellner. Eine weitere Gefahr droht vom Heimatmarkt. Im Jahr 2007 sank der Absatz dort auf den tiefsten Stand seit 24 Jahren.

Nicht zuletzt droht Toyota auch durch den Ex-Primus General Motors Ungemach. Etwa wenn es den Amerikanern tatsächlich gelingt, 2010 das Elektroauto Volt auf den Markt zu bringen, das erschwinglich sein soll und auch für längere Strecken tauglich. Toyota könnte es schwerfallen, schnell mit einem ähnlichen Produkt zu kontern.

Hinzu kommt, dass General Motors beispielsweise in China, wo immer mehr Menschen ein Auto wollen, besser aufgestellt ist. Toyota solle sich daher nicht zu sicher fühlen, meint Soellner, denn der Etappensieg kann “in einigen Jahren wieder umschlagen”.

Dass der Zweikampf noch nicht entschieden ist, glaubt auch Christopher Kummer. “GM hat die Chance, an die Spitze zurückzukehren”, glaubt der Direktor des Institute of Mergers, Acquisitions and Alliances an der Webster-Universität in Wien. General Motors werde der Verlust der Spitzenposition motivieren, sagt Kummer. Doch der Weg zurück an die Spitze wird verdammt schwer.

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